Die Große Trübsal. / Buch David
Chilton 00, Seite 10ff
Das Zeichen des Menschensohns.
Alle Geschlechter auf Erden werden wehklagen.
Die Sammlung der Auserwählten.
Der präteristische Ansatz: Hat die Endzeit
bereits stattgefunden? / Diskurs 35
In Matthäus 24 (und Markus 13 und Lukas 21) sprach Jesus zu Seinen Jüngern von
einer "Großen Trübsal", die über Jerusalem kommen würde. In den letzten hundert Jahren hat
sich die Lehre durchgesetzt, daß Jesus hier vom "Ende der Welt" und von der Zeit Seiner
Wiederkunft sprach. Doch ist diese Ansicht gerechtfertigt? Wir sollten sorgfältig beachten, dass
Jesus den (ungefähren) Zeitpunkt der bevorstehenden Trübsal angab und somit nach sorgfältiger
Untersuchung des biblischen Textes keinen Raum für Spekulationen ließ. (...) Wir stellen also
fest, (…) dass die in Matthäus prophezeiten Ereignisse zu Lebzeiten der damaligen Generation
eintraten.
*) Der Auszug ist dem Buch "Die große Trübsal" von David Chilton, Reformatorischer Verlag
Beese, Hamburg entnommen. Dieses Buch wurde mir freundlicherweise von einem schweizer Besucher von Immanuel.at mit
welchem ich dieses Thema diskutiert habe, der aber anonym bleiben möchte, kostenlos überlassen – vielen Dank!
(David Chilton, Die Große Trübsal, RVB, ISBN 3-928936-12-3)
(Siehe auch Kapitel 03: "Die Große Trübsal.")
Der Autor des obigen Buches – David Chilton – ist Pastor und Präterist in
Placerville, California und Vertritt die Auffassung, dass die Endzeit bereit im ersten Jahrhundert
n. Chr. stattgefunden hat. Unter diesem Gesichtspunkt interpretiert er die Endzeitrede des Herrn in
Mt 24.
Nach dieser Interpretation haben sich also sämtliche Ereignisse der Endzeit, wie
- Wiederkunft des Herrn
- Millennium
- Auferstehung der Toten usw.
bereits im ersten Jahrhundert ereignet und der Herr Jesus ist bereits seit fast
zweitausend Jahren – für uns unsichtbar – im Himmel Herrscher über diese Welt.
Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen des Buches gemeinsam mit den dort zitierten
Schriftstellen angeführt. In einer Analyse wird deren Übereinstimmung mit der Schrift geprüft und
auf Probleme in der Interpretation hingewiesen.
Die Sonne verfinstert der Mond verliert seinen Schein, und die Sterne fallen vom Himmel.
Mt 24,29 Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die
Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen,
und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Mt 24,29;
Die Verfinsterung der Gestirne, welche der Herr als Vorzeichen seiner Ankunft
prophezeit, werden mit den ähnlichen atl. Stellen in Jes 13,9-10; Jes 34,4; Amos 8,9 und Hes 32,7-8
in Zusammenhang gebracht und daraus gefolgert, nachdem auch diese Prophezeiungen sich real nicht
ereignet hätten, wäre auch diese Prophezeiung des Herrn nicht real zu interpretieren.
Vielmehr sei dies im "poetischen Sinne" zu verstehen und diese Bildsprache bedeutet (S 24):
"Das Licht Israels wird ausgelöscht werden; die Bundesnation wird
aufhören zu bestehen. Wenn die Trübsal vorüber ist, wird es das alte Israel nicht mehr geben."
Problem: Dass sich diese, mit Mt 24,29 fast identischen atl. Prophezeiungen
noch nicht erfüllt haben, ist schlicht und einfach darauf zurückzuführen, dass sie sich alle auf
ein und dasselbe Ereignis – in der Zukunft – beziehen und demnach erst erfüllen werden. Des
weiteren wäre es eine, in der Schrift völlig unbekannte Unverhältnismäßigkeit, hier konkrete
Aussagen über Sonne, Mond und Sterne und die Kräfte der Himmel symbolisch zu werten und sie auf
ein kleines Volk – wenn auch Israel – zu beziehen.
(Siehe auch Kapitel 04: "Die große Finsternis.")
Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel.
Mt 24,30 Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am
Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn
kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Mt 24,30;
Nachdem der Herr im ersten Jahrhundert nicht sichtbar "am" Himmel erschienen
ist, wird hier argumentiert, dass das "am" eigentlich "im" heißen sollte und aufgrund
dessen der Text lauten muss:
"Und dann wird erscheinen das Zeichen des Sohnes des Menschen im
Himmel"
Und daraus wird gefolgert, dass (S 24)
"… die Örtlichkeit, von der die Rede ist, ist der geistliche
Himmel, nicht der Himmel im Sinne des Luftraums."
Nun kann das grie. "en" welches hier für "am" steht, im Deutschen sowohl
"am, an" als auch "im, in" bedeuten. Beispiele finden wir hier im NT zuhauf, hier eine kurze
Auswahl:
- am, an: Röm 13,13; 1Kor 5,5; 9,18; 12,18; 2Kor 1,14; 6,2; Gal
3,13 etc. etc,
- im, in: Röm 7,22; 15,17; Eph 3,17; 6,10; 2Kor 1,8; etc. etc.
Die bekanntesten deutschen Übersetzungen (Luther, Elberfelder, Herder,
Jubiläumsbibel) haben daher hier ein "am". Aber auch z. B. die amerikanische New American
Standard Version von 1995 übersetzt hier mit "in the sky", womit der Luftraum und nicht der
geistliche Himmel gemeint ist, wo es dann im Englischen "in heaven" heißen müsste.
Die besten Beispiele, dass dieses "en" beide Bedeutungen hat, sind Off 12, 3 und 12,7. Hier wird
im Griechischen beide Male "en" verwendet. Im ersten Text bedeutet es "am", im zweiten Text
"im"
Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel.
Off 12,3 Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel:
und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen
sieben Diademe hatte; Off 12, 3:
Und es entstand ein Kampf im Himmel.
Off 12,7 Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und
seine Engel kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel; Off 12, 7;
Aus dieser Uminterpretation des Textes in Mt 24,30 wird aber dann folgender Schluß
gezogen (S 24f):
"Dieses große Strafgericht, das über Israel kommen wird – die
Zerstörung Jerusalems und des Tempels -, wird ein Zeichen sein, dass Jesus Christus Seinen Thron
im Himmel zur Rechten des Vaters einnehmen, die Nationen regieren und an Seinen Feinden Vergeltung
üben wird. Die göttlich verordnete Katastrophe im Jahr 70 n. Chr. hat offenbart, dass Christus
das Reich von Israel fortgenommen und der Gemeinde übergeben hat."
Man meint also, dass das in Mt 24,30 erwähnte "Zeichen" die Zerstörung
Jerusalems durch Titus, im Jahre 70 n. Chr. darstellt.
Problem: Abgesehen davon, dass bei realistischer Betrachtungsweise niemand wird behaupten
wollen, dass die heutige Welt von Jesus Christus regiert wird und damit unter einer Gottesherrschaft
mit absoluter Gerechtigkeit – wie sie in der Schrift für diese Zeit der Weltgeschichte prophezeit
wird – steht, heißt es im griechische Text oben, in Mt 24,30, dass dieses Zeichen am Himmel "erscheinen"
wird. Die Zerstörung von Jerusalem war keine himmlische Erscheinung, sondern bittere irdische
Realität. Wenn man den griechischen Text objektiv betrachtet, kann man bestenfalls herauslesen,
dass "das Zeichen des Sohnes des Menschen der im Himmel ist erscheinen wird". Und damit
ist der Unterschied zu der Lutherübersetzung nur marginal.
Sie werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels.
Mt 24,30 Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am
Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn
kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Mt 24,30;
Bei der Interpretation dieses Textes wird als Beweis u. a. auf Apg 1,9 Bezug genommen:
Er wurde zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf.
Apg 1,9 Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben,
und eine Wolke nahm ihn auf, von ihren Augen weg. Apg 1, 9;
Und nachdem dieser Text ja gerade das Gegenteil von Mt 24,30 aussagt, nämlich, dass
der Herr in den Himmel aufgefahren ist und nicht wie Mt 24,30 sagt, von dort herabkommen wird, wird
einfach der Standpunkt des Betrachters verschoben. Man behauptet, dass die Aussage von Mt 24,30 "und
werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels" nicht sein Kommen vom
Himmel herab auf die Erde, sondern – ebenso wie auch Apg 1,9 – die Himmelfahrt Jesu
beschreibt, und dass er eben auf den Wolken des Himmels in den Himmel gekommen ist (S 28):
"Die Zerstörung Jerusalems war ein Zeichen, daß der Menschensohn
Seinen Platz im Himmel eingenommen und Seine Herrschaft über die Welt angetreten hatte und daß Er
fortan die Welt im Sinne Seiner Ziele lenken würde. Bei der Himmelfahrt war Er auf den Wolken des
Himmels gekommen, um das Reich vom Vater zu empfangen; die Zerstörung Jerusalems war die
öffentliche Kundmachung dieser Tatsache. Somit sagte Jesus in Matthäus 24 nicht voraus, dass Er im
Jahre 70 n.Chr. buchstäblich mit den Wolken kommen würde (wenn es auch im übertragenen
Sinn wahr ist). Sein buchstäbliches "Kommen in den Wolken" ereignete sich – in Erfüllung der
Prophezeiung in Daniel 7 – im Jahre 30 n.Chr. (bei der Himmelfahrt / Anm. FH), zu Beginn
der ,letzten Generation’".
Problem: Abgesehen davon, dass wir im selben Kapitel, in Mt 24,26-27 eine
authentische Aussage des Herrn haben, dass er sehr wohl vom Himmel auf die Erde kommen wird:
Denn wie der Blitz so wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein.
Mt 24,26 Wenn sie nun zu euch sagen: Siehe, er ist in der Wüste! so
geht nicht hinaus! Siehe, in den Kammern! so glaubt es nicht! 24,27 Denn wie der Blitz ausfährt
von Osten und bis nach Westen leuchtet, so wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein. Mt
24,26-27;
Und ein Blitz ist aufgrund der physikalischen Gegebenheiten im "geistlichen Himmel"
– wie es weiter oben heißt – schwer vorstellbar und vor allem für uns Menschen nicht sichtbar.
Ebenso sind Osten und Westen Kategorien, welche in der himmlischen Dimension kaum gebräuchlich sein
dürften.
Aber auch der Zusatz in Mt 24,30 "kommen ... mit großer Kraft und Herrlichkeit" wäre dann
falsch. Denn der Herr hat diese Kraft und Herrlichkeit erst erlangt, als er sich nach der
Himmelfahrt zur Rechten des Vaters setzte, wie es auch der Herr hier unten, in Mt 26,64 prophezeit
und ist daher nicht schon damit in den Himmel aufgefahren.
Der Sohn des Menschen wird sitzen zur Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels.
Mt 26,64 Jesus spricht zu ihm: Du hast es gesagt. Doch ich sage euch:
Von nun an werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen auf den
Wolken des Himmels. Mt 26,64;
Und damit wird auch die Interpretation des Autors, dass der Herr "Bei der
Himmelfahrt auf den Wolken des Himmels gekommen ist, um das Reich vom Vater zu empfangen"
eindeutig widerlegt. Es ist umgekehrt: zuerst sitzt er zur Rechten des Vaters und dann wird er
kommen (auf die Erde) auf den Wolken des Himmels.
Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden.
Mt 24,30 Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am
Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den
Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Mt 24,30;
Auch hier wird anstatt "Geschlechter auf Erden" eine andere mögliche
Übersetzung zitiert mit (S 26):
"alle Stämme des Landes"
und daraus abgeleitet, dass es sich hier nicht um alle Nationen auf Erden, sondern
nur um die 12 Stämme Israels und um das Land Israel handeln würde. Das "Wehklagen" wird
folgendermaßen begründet (S 26):
"... und das Wehklagen ist wahrscheinlich im doppelten Sinne zu
verstehen. Erstens, sie werden wehklagen angesichts ihrer Leiden und des Verlusts ihres Landes;
zweitens, sie werden einstmals in Reue über ihre Sünden wehklagen, wenn sie von ihrer
Abtrünnigkeit bekehrt werden (siehe Römer 11)"
Problem: Wenn das Kommen des Menschensohns nicht eines vom Himmel auf die
Erde, sondern die Auffahrt von der Erde in den Himmel ist – wie weiter oben postuliert wird – ,
müssten sich auch diese "Stämme des Landes" im Himmel befunden haben, damit sie ihn hätten
"kommen sehen" und "wehklagen" können. Die Menschen auf Erden haben ihn ja
nur auffahren gesehen.
Und da erhebt sich die Frage, wann denn die 12 Stämme Israels in den Himmel aufgefahren sein
sollten.
Und der Sohn des Menschen wird seine Engel senden.
Mt 24,31 Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und
sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum
andern. Mt 24,31;
Nachdem das griechische Wort für Engel auch "Boten" meinen kann, interpretiert
man die Engel als Missionare der Kirchen, welche als Prediger des Evangeliums weltweit das Wort
Gottes verbreiten.
Problem: Nach diesem Prinzip müsste man zumindest alle jene Stellen, in welchen der Herr
Jesus von "seinen Engeln" spricht, als Bezeichnung für die Missionare auf Erden interpretieren
und da hätte man u. a. auch mit Mt 13,41 große Probleme:
Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden.
Mt 13,41 Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und
sie werden aus seinem Reich alle Ärgernisse zusammenlesen und die, die Gesetzloses tun; Mt
13.41;
Mit derartigen Aufgaben wären menschliche Missionare unweigerlich überfordert.
Sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden.
Mt 24,31 Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie
werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum
andern. Mt 24,31;
Das griechische Wort für sammeln ist ein Lehnwort aus dem Hebräischen (synagogein)
und bedeutet soviel wie "synagogisieren". Darauf und auf den Umstand, dass die Engel als
Missionare gedeutet werden, baut man nun das Gedankengebäude, dass mit der "Sammlung" die
Bekehrung und Eingliederung der Heiden in die Kirche und mit den Auserwählten eben diese bekehrten
Heiden gemeint seien.
Man bezieht sich hier auch auf Mt 23,37-38:
Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel.
Mt 23,37 Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und
steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine
Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! 23,38 Siehe, »euer
Haus soll euch wüst gelassen werden«. Mt 23,37-38;
Und man meint hiermit beweisen zu können, dass "synagogisieren" ein spezieller
Ausdruck im Hinblick auf die Eingliederung der Bekehrten in die Gemeinde ist und folgert aus Mt
24,31 (S 29f):
"Was hier Jesus sagt, ist somit folgendes: Die Zerstörung des Tempels
im Jahre 70 wird offenbar machen, dass Er mit den Wolken (in den Himmel hinein/ Anm.FH)
gekommen ist, um Sein Reich zu empfangen; und sie wird die Gemeinde vor der Welt als die wahre,
große Synagoge im Vollsinn des Wortes darstellen."
Problem: Dass sich "synagogisieren" nicht ausschließlich auf "Synagoge",
"Gemeinde" und die Bekehrung der Heiden bezieht, ergibt sich gleich aus demselben Vers oben in
Mt 23,27. Dort heißt es auch "wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel". Und
für dieses "versammeln" steht ebenfalls "synagogisieren", obwohl die Henne mit der
Bekehrung von Heiden sicherlich nichts am Hut hat. "Synagogein" ist daher ganz einfach das hier
im Griechischen verwendete Wort für "sammeln" – in welchem Zusammenhang auch immer.
Es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen.
Mt 24,24 Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten
aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch die Auserwählten zu
verführen. Mt 24,24;
Auch diese Prophezeiung des Herrn hat sich nach Meinung der Präteristen im ersten
Jahrhundert erfüllt (S 33):
"Die christliche Kirche der ersten Generation war nicht nur von
Glaubensstärken und Wundern gekennzeichnet, sondern auch von wachsender Gesetzlosigkeit, Auflehnung
und Irrlehren aus den eigenen Reihen – genau wie es Jesus in Matthäus 24 vorausgesagt hatte."
Problem: Es stimmt wohl, dass damals schon Irrlehrer die Gemeinden
unterwanderten und für Abfall von der rechten Lehre sorgten. Doch was ist das gegen den Abfall, den
Unglauben und die Gottlosigkeit in unserer Zeit? Hier, wie an manchen anderen Stellen, greift der
präteristische Ansatz mit seiner zeitgeschichtlichen Interpretation viel zu kurz. Und die ganz
großen Versuchungen des Bösen hat die christliche Welt leider noch zu erwarten und es werden
tatsächlich unglaubliche Zeichen und Wunder sein, welche die Menschen verführen und jene aus der
ersten christlichen Generation bei weitem übersteigen werden.
Ebenso wie der große Abfall, von dem der Herr oben in Mt 24 spricht, auf die
Irrlehrer in den ersten christlichen Gemeinden bezogen wird, will man auch den Antichristen nicht
als eine Person, sondern in eben diesem Zusammenhang als ein "System der Abtrünnigkeit" sehen
(S 35):
"Fassen wir dies alles zusammen, so können wir festhalten, daß Antichrist
eine Bezeichnung sowohl für das System der Abtrünnigkeit als auch für einzelne Abtrünnige ist.
Mit anderen Worten, Antichrist ist die Erfüllung der Prophetie Jesu, daß eine Zeit des Abfalls
kommen werde, in der ‚viele abfallen werden und sich untereinander verraten werden und sich
untereinander hassen werden. Und es werden sich viele Propheten erheben und werden viele verführen’".
Problem: Wenn wir uns die zitierte Schriftstelle ansehen, erkennen wir, dass
diese Prophezeiung des Herrn Jesus nicht die Irrlehrer der ersten Christengemeinden betrifft,
sondern es sich hier um eine ganz andere Dimension des Abfalls und der Verführung handelt:
Viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen.
Mt 24,10 Und dann werden viele verleitet werden und werden einander
überliefern und einander hassen; 24,11 und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden
viele verführen; 24,12 und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten
erkalten; 24,13 wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden. 24,14 Und dieses
Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem
Zeugnis, und dann wird das Ende kommen. Mt 24,10-14;
Und dann sind hier oben zwei konkrete Aussagen des Herrn, welche von den
Präteristen nicht zitiert und nicht kommentiert werden:
1. In Mt 24,13 heißt es: "Wer ausharrt bis ans Ende, der wird errettet
werden". Es ist also hier die Verheißung an die verfolgten Christen, bis ans Ende auszuharren.
2. Und dass sich dieses Ende – wie es die Präteristen behaupten – nicht zu
Ende des ersten Jahrhunderts ereignet hat, geht aus der folgenden Aussage im nächsten Vers, in Mt
24,14 unzweifelhaft hervor: "Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem
ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen".
Es soll also – wie der Herr sagt – das Evangelium allen Nationen auf dem ganzen
Erdkreis gepredigt werden und dann erst wird das Ende kommen. Im ersten Jahrhundert war das
Evangelium in Ansätzen gerade in einigen Ländern – von Israel über Griechenland bis nach
Italien – bekannt und vom "ganzen Erdkreis" konnte noch lange keine Rede sein. Sogar heute
noch, nach fast zweitausend Jahren, gibt es Länder, in denen das Evangelium noch nicht verkündigt
werden konnte.
Damit steht fest: der Herr spricht hier in Mt 24 nicht von der Situation der ersten
Christengemeinden, sondern von den Anfechtungen der Gläubigen in der Endzeit, welche sich auch aus
heutiger Sicht noch in der Zukunft befindet.
Und die Erklärung für diesen großen Abfall in der Endzeit finden wir dann in der Offenbarung. Es
ist nicht irgendein Prophet oder ein "System der Abtrünnigkeit", sondern es ist der
falsche Prophet, der Wunder und Zeichen tut, welche die urchristlichen Gemeinde nicht einmal vom
Hörensagen kannten.
Im Auftrag seines Herrn, des Antichristen, wirkt er Wunder und Zeichen, welche die Menschen noch nie
gesehen haben. Ja er lässt sogar Feuer vom Himmel fallen und verführt die Menschen dazu, das
Götzenbild seines Herrn anzubeten.
Es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt.
Off 13,11 Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: und es
hatte zwei Hörner gleich einem Lamm, und es redete wie ein Drache. 13,12 Und die ganze Macht des
ersten Tieres übt es vor ihm aus, und es veranlaßt die Erde und die auf ihr wohnen, daß sie das
erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde.
13,13 Und es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel vor den Menschen auf die Erde
herabkommen läßt; 13,14 und es verführt die, welche auf der Erde wohnen, wegen der
Zeichen, die vor dem Tier zu tun ihm gegeben wurde, und es sagt denen, die auf der Erde
wohnen, dem Tier, das die Wunde des Schwertes hat und wieder lebendig geworden ist, ein Bild zu
machen. 13,15 Und es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Odem zu geben, so daß das Bild des
Tieres sogar redete und bewirkte, daß alle getötet wurden, die das Bild des Tieres nicht
anbeteten. Off 13,11-15;
Der falsche Prophet, der die Zeichen getan hatte, durch welche er die verführte.
Off 19,20 Und das Tier wurde ergriffen und mit ihm der falsche
Prophet, der vor seinen Augen die Zeichen getan hatte, durch welche er die verführte, die das
Zeichen des Tieres angenommen und das Bild des Tieres angebetet hatten. Lebendig wurden diese beiden
in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brannte. Off 19,20;
Obwohl nun der Autor zu Recht auf die Parallelität von Mt 24 und Off 6 und 7
hinweist und auch versucht, die Prophezeiungen der Offenbarung im 1. Jhdt. "unterzubringen",
werden die seiner Ansicht widersprechenden Texte der Offenbarung ausgespart. So bringt er keine
Erklärung für jenen Kampf in Off 19,11-20, in welchem der Herr Jesus gegen den Antichristen und
seine Heere kämpft und dessen Ausgang hier oben in Off 19,20 geschildert wird. Wann sollte das im
ersten Jahrhundert geschehen sein?
Er gibt keine Erklärung dafür, dass in Off 20,2 Satan für tausend Jahre gebunden wird. Wenn das
im 1. Jhdt. geschehen ist, dann müsste das anschließende Jahrtausend eine Zeit frei von
satanischen Einflüssen gewesen sein. War sie das? Und nachdem es in Off 20,3 heißt, dass Satan
nach den tausend Jahren für kurze Zeit losgelassen wurde, müsste er um das Jahr 1100 wieder auf
der Erde erschienen sein.
Der Satan wird für tausend Jahre gebunden und danach für eine kurze Zeit wieder losgelassen.
Off 20,1 Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der den
Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand hatte. 20,2 Und er griff den
Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist; und er band ihn tausend Jahre 20,3
und warf ihn in den Abgrund und schloß zu und versiegelte über ihm, damit er nicht mehr die
Nationen verführe, bis die tausend Jahre vollendet sind. Nach diesem muß er für kurze Zeit
losgelassen werden. Off 20, 1- 3;
In Off 20,4 haben wir sodann die Erste Auferstehung der Märtyrer. Auch das müsste
gegen das Ende des ersten Jahrhunderts geschehen sein. Sie hätten damals lebendig werden müssen
und die folgenden tausend Jahre – also bis etwa 1100 n.Chr. – mit Christus herrschen müssen.
Und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.
Off 20,4 Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das
Gericht wurde ihnen übergeben; und ich sah die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des
Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die, welche das Tier und sein Bild nicht angebetet
und das Malzeichen nicht an ihre Stirn und an ihre Hand angenommen hatten, und sie wurden
lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.
20,5 Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies
ist die erste Auferstehung.
20,6 Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod
keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen die
tausend Jahre. Off 20, 4-6;
Und danach, also gegen 1100 n. Chr., hätten die "übrigen Toten" auferstehen
müssen.
Wie uns sodann hier unten Off 20,7-10 sagt, wird zu diesem Zeitpunkt auch der Satan bei seiner
Wiederkunft nach diesen tausend Jahren, die Nationen verführen und sie zum Krieg gegen Gott und
Israel versammeln. Gibt es historische Berichte über einen solchen Krieg im Jahr 1100 n. Chr.? Wie
es weiter heißt, werden in diesem Krieg alle Feinde Gottes – einschließlich Satan –
vernichtet. Das heißt, nachdem somit nach präteristischer Auffassung Satan bereits gegen Ende des
11. Jhdts. vernichtet wurde, müssten wir auch heute wieder in einer Zeit frei von satanischen
Einflüssen leben. Entspricht das der Realität?
Und der Teufel wurde in den Feuersee geworfen und wird gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Off 20,7 Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan
aus seinem Gefängnis losgelassen werden 20,8 und wird hinausgehen, die Nationen zu
verführen, die an den vier Ecken der Erde sind, den Gog und den Magog, um sie zum Krieg zu
versammeln; deren Zahl ist wie der Sand des Meeres. 20,9 Und sie zogen herauf auf die Breite der
Erde und umzingelten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt; und Feuer kam aus dem Himmel
herab und verschlang sie. 20,10 Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer- und
Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier als auch der falsche Prophet sind; und sie werden Tag und
Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit. Off 20, 7-10;
Und wenn wir die Interpretation der Präteristen konsequent zu Ende führen,
müssten heute – nach weiteren tausend Jahren – bereits alle Menschen auferstanden sein, das
Weltgericht hätte bereits stattgefunden und wir würden uns bereits seit tausend Jahren in der
Ewigkeit befinden.
Wie man sieht, schafft die präteristische Sicht mehr Probleme, als sie löst. Dabei muss darauf
hingewiesen werden, dass sich die obige Analyse ausschließlich auf Aussagen der Bibel stützt und
daher auch den Grundsätzen der Präteristen, wie sie der Autor in der Einleitung seines Buches (S
9) formuliert, entsprechen müsste:
"Eine Grundregel zum richtigen Verständnis der Bibel lautet: Die
Schrift legt sich selbst aus. Die Bibel ist das unfehlbare, irrtumslose Wort Gottes und damit
unsere höchste Autorität. Das heißt, daß wir eine autoritative Auslegung der Heiligen Schrift
nicht außerhalb der Bibel suchen dürfen."
Die Brüder und Schwestern der Präteristen irren daher mit ihrer Sicht der
endzeitlichen Ereignisse, was aber nicht heißt, dass sie in den Grundsatzfragen des Glaubens auch
irren. Im Gegenteil, wie der Autor schreibt, verkündigen sie das Evangelium unseres Herrn so, wie
es uns die Schrift auferlegt (S 54f):
"Er (Christus/Anm. FH) ist das Lamm, das geschlachtet war, das
der Welt Sünde trägt (Johannes 1,29). Das Zentrum der Geschichte ist die vollbrachte Opfertat
Christi. (...) Aufgrund Seines Opfers ist Er in die Stellung höchster Herrschaft und Vollmacht
erhoben worden. Christus hat den Sieg erlangt durch Sein erlösendes Leiden und Sterben für uns."
Das ist wichtig! Das zählt! Über vieles andere kann man diskutieren, darüber
nicht.
Diskurs 35: Der präteristische Ansatz: Hat die Endzeit
bereits stattgefunden?