Der Heilige Geist und die Frömmigkeit
Die Knechte Gottes aus den zwölf Stämmen
Israels
Die ‚zerbrochene Hütte Davids’ und die
Gemeinde
Dieser Diskurs widmet sich der Analyse des Buches "Verstehst du, was du liest? /
Ein Handbuch zur Hermeneutik" von Dr. David Ewert (Professor für Neues Testament, Mennonitische
Brüdergemeinde/Kanada), erhältlich in der Bibelschule Bonn. ICWBSB@aol.com
Aufgrund der relativ umfangreichen Ansatzpunkte, kann hier der Text nicht – wie üblich –
geschlossen dem Kommentar vorangestellt werden, sondern es werden die betreffenden Textausschnitte
bei jeder Analyse separat angeführt.
In seinen Ausführungen über die erforderlichen persönlichen Bildungskriterien zur
Schriftinterpretation beschreibt David Ewert die, seiner Meinung nach aller erste Voraussetzung zum
Verständnis der Bibel: (S 21):
"Wir benötigen literarische Kenntnisse. Weil wir es bei der
Bibelforschung mit Literatur zu tun haben, können wir ohne jegliche literarische Kenntnisse aus der
Bibel nicht klug werden"
Das ist eine erstaunliche Feststellung! Es würde bedeuten, dass wir zuallererst die
weltliche Literatur studieren müssten, also etwa Literaturwissenschaftler sein müssten, um dann
das Wort Gottes richtig lesen zu können. Kann das sein?
Doch es heißt dann weiter (S 22):
"(...) Wer die alten Bibelsprachen kennt, Geschichte studiert hat,
etwas von der Altertumskunde weiß, mit der Geographie der Mittelmeerländer bekannt ist, das
römische Regierungssystem des 1. Jahrhunderts kennt und mit der rabbinischen Literatur
einigermaßen vertraut ist, ist natürlich wesentlich besser zum Bibelstudium ausgerüstet (...)."
Und hier bekommt man nun vollends den Eindruck, dass nur Universitätsprofessoren
aus dem Wort Gottes "klug werden" können. Abgesehen von der, für einen bibelgläubigen
Christen doch eher verwunderlichen Auffassung, dass Geschichte, Altertumskunde, Geographie oder das
römische Regierungssystem eine wesentliche Forderung zum Verständnis der Heiligen Schrift sein
sollten, stellt sich auch die Frage, ob es in erster Linie Klugheit ist, welche uns die Heilige
Schrift vermitteln will? Oder ob es nicht doch eher der Glaube ist, welcher durch das Wort Gottes,
die Bibel, gefestigt und gestärkt werden soll.
Die zweitwichtigste Eigenschaft zum Verständnis der Bibel ist nach der Aussage des Autors "die
Hilfe von oben". Hier heißt es (S 23):
"Also genügen grammatische Kenntnisse nicht, um Gottes Botschaft zu
hören. Jesus warf den Schriftgelehrten seiner Zeit vor: ‚Ihr sucht in der Schrift; denn ihr
meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist es, die von mir zeugt; und ihr wollt nicht zu mit
kommen, dass ihr das Leben hättet’ (Joh 5,39-40)."
Nun kann man den Schriftgelehrten zur Zeit Jesu viel vorwerfen, aber sicherlich
nicht, dass sie nur die grammatischen Kenntnisse besaßen, um die Schrift auszulegen. Im Gegenteil,
gerade die Schriftgelehrten waren ja die "Universitätsprofessoren" der damaligen Zeit. Sie
waren mit der alttestamentarischen Literatur vertraut, wie sonst keiner. Sie kannten die Geschichte
ihres Volkes und die Geographie ihres Lebensraumes von Ägypten bis zum Kaspischen Meer und von Rom
bis Babylon. Das römische Regierungssystem des ersten Jahrhunderts war jene Herrschaft, unter der
sie ihr Leben lang zu leiden hatten und die rabbinische Literatur haben sie wahrscheinlich schon in
der Grundschule gelehrt bekommen.
Es ist daher nicht etwa so, dass der Herr Jesus hier den Schriftgelehrten vorgehalten hätte, sie
wüssten zuwenig über die Schrift. Die Schriftgelehrten hatten das umfassendste Wissen im ganzen
Volk. Und nicht nur auf religiösem Gebiet! Daher ist das, was der Herr hier kritisiert nicht das
Verstehen-Können, sondern das Verstehen-Wollen dieser Leute. Er sagt ihnen: "ihr wollt
nicht zu mir kommen" und meint damit ihre Arroganz und Borniertheit, welche ihnen – trotz hoher
Gelehrsamkeit – die richtige Interpretation jener Schriftstellen, welche auf den Messias hinwiesen,
verdunkelten, sodass sie ihn nicht erkennen konnten.
Der Grund, warum diese Gelehrten, die die Schrift ihr Leben lang studiert hatten, dann dennoch das
darin beschriebene wichtigste Ereignis der gesamten Weltgeschichte nicht erkannt, nicht begriffen
und nicht verstanden haben, ist der Umstand, dass für sie eben auch "die Hilfe von oben", also
der Heilige Geist, von sekundärer Bedeutung war. Sie meinten mit Gelehrsamkeit und Einhaltung der
Satzungen dem Gesetz genüge tun zu können und erkannten nicht, dass es die Gnade und der Geist
Gottes ist und nicht der Eifer des Menschen, welche zum richtigen Verständnis der Schrift führen.
Um die Schrift richtig verstehen zu können, benötigen wir daher weder ein Literaturstudium noch
Altertumskunde oder römisches Recht. Auch die rabbinische Literatur wird uns beim christlichen
Verständnis der Bibel eher hinderlich sein. Wir müssen nur fest im Glauben stehen und den Herrn um
den Heiligen Geist bitten. Dieser wird uns dann führen und uns zeigen, was er unserem Verständnis
öffnen will und was nicht. Wenn wir daneben eine halbwegs fundierte Allgemeinbildung haben, wird
uns das bei der Arbeit nützen.
Zum Beweis, dass wir zum Verständnis der Bibel den Heiligen Geist benötigen – "die
Hilfe von oben" wie der Autor sagt – werden folgende Persönlichkeiten angeführt: Johann Bengel,
Hermann Menge, J. B. Phillips, Martin Luther, Adolf Schlatter, Blaise Pascal, Sören Kierkegaard,
Augustinus, Donald Carson, Hans Denck, des weiteren Zwingli und Calvin und schließlich wird doch
auch noch der Apostel Paulus erwähnt. Nicht dass gegen die Erwähnung all dieser honorigen Leute
etwas zu sagen wäre, doch dies ist alles – mit Ausnahme des Paulus – "Sekundärliteratur".
Mit einigen Aussagen aus dem Wort Gottes – beispielsweise der Apostelgeschichte – wäre die Frage
des Heiligen Geistes wohl viel verständlicher und effizienter zu beantworten gewesen.
Doch wenn dann darauf hingewiesen wird (S 24),
"dass der Heilige Geist nicht ein Ersatz für Sprachkenntnisse oder
geographisches und geschichtliches Wissen ist"
erstaunt auch die nächste Aussage nicht:
"Persönliche Frömmigkeit jedoch garantiert uns nicht die richtige
Deutung des biblischen Textes".
Es soll hier wohlgemerkt nicht der Dummheit das Wort geredet werden, doch wer die
Bibel kennt, weiß, dass Gott und auch unser Herr Jesus Christus immer die einfachen und frommen
Leute aus dem Volk erwählt hat, um sein Wort den gelehrten Ungläubigen zu verkünden. Das war so
im Alten Bund, wo einfache Menschen wie Moses und David das Volk führten und als Propheten wie
Jeremia bis hin zu Johannes dem Täufer die Könige Israels belehrt hatten. Und so war es auch zur
Zeit Jesu, wo einfache Apostel den Schriftgelehrten ihrer Zeit eine andere Gelehrsamkeit, nämlich
die der Weisheit Gottes verkündigt hatten.
Wenn es dann aber weiter heißt (S25):
"Das Gebet ist eben nicht eine theologische Methode."
muss man erstmals zustimmen. Allerdings mit der Ergänzung, dass daher auch die
Theologie alleine keine Methode zur Auslegung der Heiligen Schrift ist. Speziell wenn man Aussagen
der modernen, liberalen Theologie betrachtet, welche die Auffassung vertritt, dass die Bibel ein
Märchenbuch und die Offenbarungen darin eine "trip to heaven – Literatur" sind (J. Nelson
Kraybill, president of Associated Mennonite Biblical Seminary, Elkhart, Indiana, in "Apocalypse
Now" / Christianity Today), wird klar, dass sich diese Theologen an Schlagzeilen der
Boulevard-Presse orientieren und das Gebet eben nicht die Methode ihrer Wahl ist.
Zur Frage der Übersetzungen wird u. a. folgendes ausgeführt:
"In 1. Thessalonicher 2,7 ist man sich nicht ganz sicher, ob ein
Buchstabe wiederholt oder ausgelassen worden ist. Daher haben wir in einigen Übersetzungen: ‚Wir
sind bei euch linde (epioi) gewesen’, und in anderen: ‚Wir sind bei euch wie Kinder (nepioi)
gewesen.’ Der Unterschied ist ein Buchstabe."
Wenn wir uns dieses "Übersetzungsproblem" nun in seinem Kontext ansehen, dann
sieht das so aus:
1The 2,7 Als Christi Apostel hätten wir gewichtig auftreten können; doch
statt dessen waren wir freundlich, als wir bei euch waren, wie eine Mutter, die ihre
Kinder nährt und für sie sorgt. 1The 2, 7;
Aufgrund des Nachsatzes "wie eine Mutter, die ihre Kinder nährt und für sie
sorgt" ist eindeutig zu erkennen, dass die Bedeutung des vorhergehenden Halbsatzes nur lauten
kann: "Wir sind bei euch linde (freundlich) gewesen, wie eine Mutter...". Es muss also
"epioi" heißen und nicht "nepioi". Ansonsten würde ja die Aussage lauten: "Wir sind bei
euch wie Kinder gewesen, wie eine Mutter, die ihre Kinder nährt ..." und dies ergibt
keinen Sinn.
Man sieht, dies mag zwar eine interessante Wortspielerei sein, aber beileibe kein
Übersetzungsproblem, wenn man nicht einzelne Halbsätze herauslöst, sondern den ganzen Kontext
betrachtet.
Die Bildersprache in der Bibel wird folgendermaßen kommentiert:
"Der direkte Vergleich, die Metapher, wie auch der indirekte setzt
voraus, dass die Leser mit den Bildern, die der Schreiber gebraucht, vertraut sind. Manch biblische
Bilder sind dem Leser des 20. Jahrhunderts fremd. Was will Paulus z. B. sagen, wenn er seine Leser
zur Feindesliebe anhält, mit der Ermutigung: ‚So wirst du feurige Kohlen auf seinem Haupt sammeln’
(Röm 12,20) – ein Zitat aus Sprüche 25,22. Ist das nicht eher ein Bild für Rache, die Paulus
gerade verurteilt hat? Der Kontext aber lehrt uns etwas anderes. Einige Ausleger meinen, es sei ein
Bild für Scham. Wenn man den Feind tränkt und speist, wird er sich schämen, dass er uns Böses
angetan hat.
Nun will man aber auch von einem ägyptischen Ritual wissen, in welchem
dieses ein Bild für die Versöhnung ist. Dem Übeltäter tut es leid und er kommt dem Unschuldigen,
der ihm Gutes getan hat, mit feurigen Kohlen in einem Behälter, den er auf dem Kopf trägt,
entgegen. Das scheint eine sinnvollere Erklärung der Bildersprache dieses Textes zu sein."
Es ist schon interessant, dass diese Phrase, welche aufgrund ihrer eindeutigen
Aussagekraft seit Jahrhunderten in die Sprachen vieler Länder Eingang gefunden hat, nunmehr auf
einmal nicht mehr verständlich sein soll und einer Umdeutung bedürfen würde.
Die Erklärung durch ein "ägyptisches Ritual" scheint dann auch nicht sehr plausibel zu sein.
Warum sollte jemand feurige Kohlen ausgerechnet auf seinem Kopf tragen? Da wäre es doch viel
naheliegender, wenn er die Kohlen in einem Behälter mit den Händen tragen würde. Denn auch wenn
er sie in einem Behälter trägt, wird der Behälter – aus welchem Material auch immer – von der
Hitze der Glut bald so heiß werden, dass er gar nicht auf dem Kopf getragen werden kann. Ganz
abgesehen davon, ist dies ja gerade der Kern dieser bildhaften Aussage, dass der Übeltäter durch
die "glühenden Kohlen" auf seinem Haupt in seinem Gewissen gequält wird und umkehrt. Und die
Frage des Autors: "Ist das nicht eher ein Bild für Rache, die Paulus gerade verurteilt hat?"
birgt hier die Gefahr in sich, das Opfer in die Täterrolle zu drängen. Demnach wäre der Gerechte
schuldig, weil er dem, der ihm schadet, Gutes tut und dieser dadurch Gewissensbisse hat. So kann es
ja nicht sein.
Auch will uns Paulus in diesem Gleichnis natürlich nicht zur Rache anleiten, sondern uns im
Gegenteil ermutigen – wie viele andere Schriftstellen auch – uns nicht selbst zu rächen,
sondern die Rache dem Herrn zu überlassen. Wir sollen das Böse mit Gutem vergelten. Wenn sich der
Bösewicht schämt und sich entschuldigt, haben wir einen Freund, vielleicht sogar einen Bruder
gewonnen. Tut er es jedoch nicht und lacht uns aus, als dumme Menschen, die sich betrügen lassen,
dann ist die Anhäufung von "feurigen Kohlen" auf seinem Haupt auch wieder ganz konkret zu
sehen, nämlich im Hinblick auf das Letzte Gericht.
In den Ausführungen über die symbolischen Visionen wird die Frau am Himmel aus Off
12 zitiert:
"Nicht immer ist die Symbolik der Bilder ganz klar und manchmal stellt
ein Bild mehr als eine Wahrheit dar. Johannes sieht z. B. eine Frau die einen Sohn gebiert.
Jedenfalls wird dadurch Israel, das uns den Messias gegeben hat, dargestellt. Das Kind wird in den
Himmel entrückt und der Drache verfolgt dann die Frau (Off 12,13). Jetzt stellt die Frau die
Gemeinde dar, die verfolgt wird, aber von Gott bewahrt bleibt."
Wenn wir uns diesen Text in Off 12 genauer ansehen, erkennen wir dass dieses Ereignis in Off 12,5-6 erstmals erwähnt wird:
Und sie gebar einen Sohn, ein männliches Kind.
Off 12,5 Und sie gebar einen Sohn, ein männliches Kind, der
alle Nationen hüten soll mit eisernem Stab; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu
seinem Thron. 12,6 Und die Frau floh in die Wüste, wo sie eine von Gott bereitete Stätte
hat, damit man sie dort ernähre 1260 Tage. Off 12, 5- 6;
Etwas später, in Off 12,13 erfahren wir dann, warum die Frau fliehen musste: sie wurde vom Drachen verfolgt.
Der Drache verfolgte die Frau.
Off 12,13 Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen
war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. 12,14 Und es wurden der
Frau die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste fliege, an ihre
Stätte, wo sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, fern vom Angesicht der
Schlange. Off 12,13-14;
Und nun ist es schon sehr eigenartig, dass dieselbe Frau, die in Off 12,5 den Knaben
geboren hatte und somit vom Autor richtigerweise als Israel identifiziert wird, plötzlich im
nächsten Vers und in Off 12,13-14 die Gemeinde Christi sein sollte. Woher stammt diese Erkenntnis?
Weil sie verfolgt wird? Israel wurde viel früher als die Gemeinde verfolgt und wie wir alle wissen,
hielt die Verfolgung der Juden bis in unsere Tage an. Es gibt auch sonst keinen Schriftbeweis, der
diese Auslegung stützen könnte. Es sei denn, dass hier die Auffassung der Siebenten Tags
Adventisten vertreten werden sollte, die meinen, dass grundsätzlich alle Verheißungen des Neuen
Testaments, welche sich auf Israel beziehen, der Gemeinde zuzurechnen wären. Im übrigen müsste
nach der obigen Auslegung die Gemeinde seit dem Tod des Herrn verborgen "in der Wüste" – wo
immer das auch ist – leben und hätte daher in den letzten zweitausend Jahre nicht in Erscheinung
treten können.
Nein, so leicht dürfen wir uns Auslegung nicht machen. Wenn diese Frau in Off 12,5 ein Symbol für
Israel ist – und das ist sie gewiss -, dann ist sie das auch noch im anschließenden Vers und auch
in Off 12,13-14. Es gibt keinen plausiblen Grund, hier plötzlich die Gemeinde einzusetzen. Ebenso
wie in Off 12,5-6, ist auch in Off 12,13-14 das Volk Israel gemeint. Das erste Mal nach dem ersten
Kommen (Zerstreuung im ersten Jahrhundert n. Chr.) und das zweite Mal vor dem zweiten Kommen des
Herrn (Zerstreuung in der Endzeit).
Siehe auch den Exkurs 10: "Die Frau am Himmel".)
Bei der Behandlung dieses Themas wird die Symbolik in der Offenbarung angesprochen:
"Apokalyptische Literatur, die im Judentum gut bekannt war, enthält
recht viel Zahlensymbolik. Daher muss man auch in dem letzten Buch der Bibel mit solcher Symbolik
rechnen."
Auch diese Aussage ist für jemanden, der die Apokalypse schon einmal mit der Absicht gelesen hat, den Inhalt auch zu verstehen, verwunderlich. Denn wie wir den ersten Versen der Offenbarung entnehmen können, ist das letzte Buch der Bibel eine Offenbarung Jesu Christi.
Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat.
Off 1,1 Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben
hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll; und er hat sie durch seinen Engel
gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan, 1,2 der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis
von Jesus Christus, alles, was er gesehen hat. Off 1, 1- 2;
Es ist also eine Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat. Und erst der
Herr Jesus hat sie durch seinen Engel an Johannes weitergegeben. Es ist daher ursprünglich eine
Offenbarung Gottes des Allmächtigen.
Und nun heißt es oben, im Zitat aus diesem "Handbuch zur Hermeneutik" von David Ewert
sinngemäß: nachdem im Judentum "recht viel Zahlensymbolik" gebraucht wurde, müssten wir damit
rechnen, dass auch Gott der Allmächtige in seiner Offenbarung an seinen Sohn Jesus Christus von der
gängigen apokalyptischen Literatur im Judentum beeinflusst war und deren Zahlensymbolik verwendet
hat. Damit wird aber Gott der Allmächtige auf die Ebene irgendwelcher jüdischer Rabbiner gestellt.
Und sodann geht der Autor auf die 144.000 aus allen Stämmen Israels ein:
"Johannes bezeichnet das Volk Gottes mit einer symbolischen Zahl:
144.000. Dadurch wird konkret dargestellt, dass Gott weiß, wer sie sind; er weiß, wie viele Kinder
er hat. (...) Dass sie aus den 12 Stämmen Israels kommen, sollte uns nicht wundern, denn die
neutestamentlichen Schreiber gebrauchen immer wieder alttestamentliche Namen um das neue Gottesvolk
zu bezeichnen. (...) 144.000 will uns besagen, dass Gott die Seinen alle kennt, und diese gezählte
Schar wird in Offenbarung 7 schließlich zu einer ,großen Schar, die niemand zählen kann’ (7,9),
d. h. von der menschlichen Perspektive aus ist die Schar der Gläubigen unzählbar, von der
göttlichen Schau gesehen sind sie alle gezählt."
Wenn wir uns nun diesen Text etwas genauer ansehen, bekommen wir allerdings einen ganz anderen Eindruck:
Die Versiegelung der 144.000.
Off 7,3 Tut der Erde und dem Meer und den Bäumen keinen Schaden, bis
wir versiegeln die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen. 7,4 Und ich hörte die Zahl
derer, die versiegelt wurden: hundertvierundvierzigtausend, die versiegelt waren aus allen
Stämmen Israels: 7,5 aus dem Stamm Juda zwölftausend versiegelt, aus dem Stamm Ruben
zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, 7,6 aus dem Stamm Asser zwölftausend,
aus dem Stamm Naftali zwölftausend, aus dem Stamm Manasse zwölftausend, 7,7 aus dem
Stamm Simeon zwölftausend, aus dem Stamm Levi zwölftausend, aus dem Stamm Issachar
zwölftausend, 7,8 aus dem Stamm Sebulon zwölftausend, aus dem Stamm Josef
zwölftausend, aus dem Stamm Benjamin zwölftausend versiegelt. Off 7, 3- 8;
Es sind also 12.000 aus jedem einzelnen der 12 Stämme Israels, insgesamt 144.000.
Wieso kommen hier manche Leute auf die Idee, diese Zahl wäre symbolisch zu sehen und dies wäre die
Gemeinde aller Zeiten? Auch die Zeugen Jehovas haben sich diese 144.000 schon für ihre obersten
Brüder "reserviert". Wenn dies die Gemeinde sein sollte, würde sich die Frage stellen, wer
denn da aus welchem Stamm Israels gekommen wäre. Und überdies: wenn die Zahl 144.000 symbolisch
ist, warum sollte dies denn nicht gleich die Zahl für alle Menschen aller Zeiten sein? Damit
hätten wir einen Schriftbeweis für die Auffassung der Anhänger der Allversöhnungslehre, welche
besagt, dass schließlich alle Menschen, Gläubige und Gottlose, ja sogar der Teufel selbst, in den
Himmel kommen. Hier ist zu erkennen: wenn man sich einmal auf derartige symbolische Spielereien
eingelassen hat, kann man alles Mögliche hineininterpretieren und man begibt sich in die
Gesellschaft von Sektierern und Phantasten.
Wenn wir solch eindeutige Texte wie die Versiegelung der 144.000 uminterpretieren und behaupten,
hier sei Israel nicht Israel, die 12 Stämme seien nicht die 12 Stämme, die 12.000 keine 12.000 und
auch die 144.000 seien keine 144.000, wie wollen wir dann denen wehren, die kommen und behaupten
werden Jesus sei nicht der Christus (1Jh 2,22)? Unser Hinweis auf das, was geschrieben steht, wäre
dann vollkommen sinnlos, denn sie würden uns sagen: von den 144.000 steht auch geschrieben dass sie
Israeliten sind und eurer Meinung nach sind es keine.
Auch die vom Autor oben vertretene wundersame Vermehrung dieser 144.000 in die unzählbare Schar aus
Off 7,9 widerspricht eindeutig dem Text. Die große Schar aus Off 7,9 kommt nicht aus den 12
Stämmen Israels sondern "aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen".
Eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen.
Off 7,9 Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die
niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die
standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren
Händen, 7,10 und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm
Gott, und dem Lamm! Off 7, 9-10;
Es sind also Gläubige aus aller Welt, welche hier vor dem Thron stehen und nicht
die 144.000 aus den 12 Stämmen Israels. Aber das ist eben das Problem bei willkürlichen
Uminterpretierungen: Hat man einmal damit begonnen (Israel ist nicht Israel sondern die Gemeinde),
muss man wohl oder übel damit fortfahren.
Ein weiteres Argument, warum auch diese unzählbare Schar nicht die Gemeinde aller Zeiten sein kann,
wie der Autor meint, ist im Kontext zu finden.
Diese sind’s, die gekommen sind aus der großen Trübsal.
Off 7,13 Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind
diese, die mit den weißen Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? 7,14 Und ich sprach
zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind’s, die gekommen sind aus der
großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut
des Lammes. 7,15 Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel;
und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. 7,16 Sie werden nicht mehr hungern noch
dürsten; es wird auch nicht auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine Hitze; 7,17 denn das Lamm
mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird
abwischen alle Tränen von ihren Augen. Off 7,13-17;
Sie sind aus der großen Trübsal gekommen. Das heißt, sie sind in dieser großen
Trübsal umgekommen und befinden sich nun im Himmel, vor dem Thron Gottes. Und nachdem sich die
überwiegende Mehrheit der Ausleger darüber einig ist, dass die große Trübsal ein Ereignis in der
Zukunft ist (Endzeit, Mt 24,21.29), werden diese Menschen erst in der Zukunft leben und sterben und
können daher bestenfalls die Gemeinde der Endzeit, aber keinesfalls die Gemeinde aller Zeiten sein
(Siehe auch den Diskurs 06: "Die 144.000
Versiegelten".)
Wie man sieht, ist es oft nicht die Symbolik der Schrift, welche eine Auslegung
schwierig macht, sondern eher der Umstand, dass manche Interpreten den Text ganz einfach nicht
fertig lesen, dadurch die Aussage nicht verstehen und dann bei der Auslegung eben zur Symbolik
greifen müssen.
Über die Siegel-, Posaunen- und Schalengerichte in der Offenbarung und die große
Trübsal wird in dem Buch folgende Meinung vertreten:
"Der mittlere Teil des Buches (der Offenbarung / Anm. FH)
beschreibt 7 Siegel, 7 Posaunen und 7 Plagen. Dieses sind göttliche Gerichte, die über diese
gottlose Welt von Zeit zu Zeit einhergehen, denn Gottes Zorn ist schon jetzt vom Himmel offenbart
(Röm 1,16), Sie durchschreiten alle denselben Zeitraum, vom ersten bis zum zweiten Kommen Jesu, und
sind Vorläufer des göttlichen Gerichts am Ende dieses Zeitalters. (...) Der Zeugendienst der
Gemeinde währt genau so lange, wie ihre Trübsalszeit, nämlich von Pfingsten bis zur Parusie Jesu
Christi."
Damit vertritt der Autor hier die Auffassung, dass die Siegel-, Posaunen- und
Schalengerichte Geschehnisse sind, welches sich bereits seit etwa zweitausend Jahren "von Zeit zu
Zeit" hier auf Erden ereignen.
Es würde den hier verfügbaren Rahmen sprengen, wollte man nun den Gegenbeweis im Detail anführen.
Es sei dem Leser nur geraten, sich diese Texte selbst durchzulesen, um dann feststellen zu können,
dass derartige Plagen, wie sie in der Johannesoffenbarung geschildert werden, noch nie – und daher
auch nicht "von Zeit zu Zeit" – auf Erden aufgetreten sind.
Auch bezüglich der großen Trübsal wird hier ziemlich großzügig argumentiert. Wenn der Herr
Jesus in Mt 24,21-22 sagt:
Es wird eine große Bedrängnis sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt.
Mt 24,21 Denn es wird dann eine große Trübsal sein, wie sie
nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird. 24,22 Und
wenn diese Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig werden; aber um der
Auserwählten willen werden diese Tage verkürzt. Mt 24,21-22;
und man dann bedenkt, dass diese Trübsal nach der Darstellung in dem hier
kommentierten Buch nunmehr bereits seit fast zweitausend Jahren ("von Pfingsten an") dauern soll
und noch weiter bis zur Wiederkunft des Herrn andauern wird, so fragt man sich, wieso wir z. B.
unter unseren heutigen Verhältnissen in der größten Trübsal leben sollten, "wie sie nicht
gewesen ist vom Anfang der Welt". Und wenn es so wäre, warum dann der Herr diese Trübsal am Ende
von Tausenden von Jahren um einige wenige Tage verkürzen wollte? Diese Argumentation erinnert sehr
an jene der Zeugen Jehovas, welche behaupten, dass die Herrschaft Gottes auf Erden seit 1914
angebrochen ist und Jesus Christus seit 1914 "unsichtbar" im Himmel über die Erde herrscht.
Wenn man sich die Realität dieser Welt ansieht, erkennt man, dass wir es hier mit einem ganz
anderen "Herrscher" zu tun haben.
(Siehe auch Kapitel 03: "Die Große Trübsal".)
Im Zusammenhang mit dem Symbolgehalt der Zahl 40 wird u. a. auch auf das Alter des
Menschen eingegangen:
"Im Alten Testament kommt die Zahl ‚vierzig’ so oft vor, dass sie
mitunter auch symbolisch gebraucht wurde. Das Leben Moses wurde in drei mal 40 eingeteilt, und heute
wünschen Juden einander ‚Mögest du bis 120 leben..’. Das meinen die nicht buchstäblich, aber
120 (3x40) ist Symbol für ein volles Leben."
Im Gegensatz zu dieser vom D. Ewert vertretenen und sichtlich aus der rabbinischen Literatur abgeleiteten Auffassung, meinen die Juden dies sehr wohl buchstäblich und beziehen sich damit auf die Thora (das Buch "Im Anfang" / 1. Buch Moses) und den Ausspruch Gottes des Allmächtigen, der am Ende der "Vorzeit", also kurz vor der Sintflut, als er sah, dass die Menschheit immer mehr verderbt war, in 1. Mose 6,3 das bis dahin gegebene Lebensalter des Menschen von bis zu 969 Jahren (Methuschelach) auf maximal 120 Jahre verkürzte.
Seine Tage sollen 120 Jahre betragen.
1Mo 6,3 Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht ewig im Menschen
bleiben, da er ja auch Fleisch ist. Seine Tage sollen 120 Jahre betragen. 1Mo 6, 3;
Es ist diese Thorastelle, auf welche sich die Juden beziehen und es ist das
Ausschöpfen dieser, von Gott gesetzten Altersgrenze, welches sie sich mit dem Ausspruch "Mögest
du bis 120 leben" gegenseitig wünschen.
In diesem Zusammenhang ist es recht interessant, dass erst kürzlich die jüdische Historikerin und
Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide das hohe Alter der Menschen vor der Flut damit
begründet hat, dass damals das Alter nach Mondumläufen und nicht nach Sonnenjahren berechnet
worden wäre. Rechnet man die Monatsangaben auf Jahre um, würden die Menschen damals eine ähnliche
Lebenserwartung gehabt haben, wie heute auch.
Diese These ist auf den ersten Blick zwar sehr attraktiv, bei näherer Betrachtung hat sie
allerdings einen wesentlichen Schönheitsfehler. Wenn wir bei dem oben genannten Methuschelach
(Methusalem) bleiben, dann wurde er nach 1Mo 5,21 von seinem Vater Henoch mit 65 Jahren gezeugt.
Wären nun diese Jahresangaben tatsächlich Monate, dann hätte Henoch im sehr jugendlichen Alter
von 5 Jahren und 5 Monaten ein Kind gezeugt. Dieses Phänomen müsste Frau Lapide – welche
ansonsten eine Koryphäe auf ihrem Gebiet ist – noch erklären.
(Siehe auch die Tabelle 01: "Zeittafel von Adam bis
Jakob".)
Im Buch von David Ewert wird in den Ausführungen über die Prophetie u. a. Apg
15,17 zitiert:
"Aus den Lehren Jesu, seinen Wundern, seinem Tod, seiner Auferstehung
und der Ausgießung des Heiligen Geistes wird ein neues Gottesvolk geboren, eine Gottesherrschaft,
die Gemeinde. Auf dem Jerusalemer Konzil erklärt Jakobus, dass Gott jetzt die zerbrochene Hütte
Davids (Amos 9,11) wieder aufgebaut habe (Apg 15,17)."
Um diese Aussagen beurteilen zu können, müssen wir uns vorerst einmal den Schrifttext ansehen:
Damit die Menschen, die übriggeblieben sind, nach dem Herrn fragen.
Apg 15,13 Danach, als sie schwiegen, antwortete Jakobus und sprach: Ihr
Männer, liebe Brüder, hört mir zu! 15,14 Simon hat erzählt, wie Gott zum ersten Mal die Heiden
gnädig heimgesucht hat, um aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu gewinnen. 15,15 Und dazu stimmen
die Worte der Propheten, wie geschrieben steht (Amos 9,11.12): 15,16 »Danach will ich mich wieder
zu ihnen wenden und will die zerfallene Hütte Davids wieder bauen, und ihre Trümmer will ich
wieder aufbauen und will sie aufrichten, 15,17 damit die Menschen, die übriggeblieben sind, nach
dem Herrn fragen, dazu alle Nationen, über die mein Name genannt ist, spricht der Herr,
15,18 der tut, was von alters her bekannt ist.« Apg 15,13-18;
Wir erkennen hier, dass die Apostel bei diesem Konzil damals sichtlich in einem
Dilemma waren. Es ging um die Beschneidung. Sie waren alle Juden und beschnitten und einige von
ihnen waren der Meinung, dass auch die Neubekehrten aus den Heiden sich beschneiden lassen müssten.
Und jetzt kommt Petrus und erzählt ihnen, dass diese bekehrten Heiden zu Pfingsten den Heiligen
Geist empfangen hatten obwohl sie noch unbeschnitten waren. Auch Paulus und Barnabas berichteten von
den Wundern, welche sie unter den Heiden wirken konnten. Die Apostel wussten aber nicht, was sie
davon halten sollten. Sollten sie ihnen die Beschneidung nun vorschreiben oder nicht? Sie waren
sprachlos und schwiegen.
Und da erinnerte Jakobus an eine Weissagung des Propheten Amos, der sagte, dass auch alle Nationen
– also Nichtisraeliten, Heiden -, über die der Name des Herrn genannt ist, nach dem Herrn fragen
werden. Und damit war das Eis gebrochen und das Problem gelöst. Hier stand nichts von einer
Beschneidung. Die Nationen der Welt – und übrigens auch die Christusgläubigen aus Israel –
bedürfen keiner Beschneidung um das Heil zu erlangen. Das war die Entscheidung dieses
Apostelkonzils in Jerusalem
Wir sehen, dass Jakobus hier den ersten Teil dieses Zitats aus Amos 9,11-12 – nämlich die "zerfallene
Hütte Davids" – überhaupt nicht in seiner Argumentation verwendet hatte und sie nur der
Vollständigkeit halber angeführt hat. Worauf er hinweisen wollte, war der zweite Teil dieses
Satzes, also Apg 15,17 bzw. Amos 9,12, wo der Prophet ausdrücklich darauf hinweist, dass auch die
Heiden (Nationen) zum Glauben an den Gott Israels kommen werden. Und damit war bewiesen, dass diese
Heiden nicht zum mosaischen Glauben – und seinem Gebot der Beschneidung – konvertieren müssen.
Was nun aber der erste Vers (Apg 15,16 bzw. Amos 9,11) besagt, wird uns auch in vielen anderen
biblischen Prophezeiungen überliefert. Nämlich, dass sich Gott auch der "zerfallenen Hütte
Davids" – also Israels (in der Endzeit) wieder zuwenden wird, ihnen vergeben, sie aus
aller Welt Enden sammeln und wieder in ihr Land einsetzen wird.
Wenn wir uns den Kontext dieser Prophezeiung genauer ansehen – sowohl in der Apostelgeschichte,
als auch bei Amos – erkennen wir diesen Hintergrund.
Danach will ich mich zu ihnen wenden und die zerfallene Hütte Davids wieder bauen.
Apg 15,16 »Danach will ich mich wieder zu ihnen wenden und will die
zerfallene Hütte Davids wieder bauen, und ihre Trümmer will ich wieder aufbauen und will sie
aufrichten, 15,17 damit die Menschen, die übriggeblieben sind, nach dem Herrn fragen,
dazu alle Nationen, über die mein Name genannt ist, spricht der Herr, 15,18 der tut, was von alters
her bekannt ist.« Apg 15,16-18;
Der Vers Apg 15,16 beginnt mit einem "Danach" und daraus ist zu schließen, dass diese Verheißung die Folge von irgendwelchen anderen Ereignissen sein sollte. Auch ist im nächsten Vers die Rede von "Menschen, die übriggeblieben sind". Übriggeblieben von was? Um diese Frage beantworten zu können, sehen wir uns den Text im Original beim Propheten Amos an:
Damit sie in Besitz nehmen, was übrig ist von Edom, und alle Nationen.
Amos 9,11 Zur selben Zeit will ich die zerfallene Hütte Davids wieder
aufrichten und ihre Risse vermauern und, was abgebrochen ist, wieder aufrichten und will sie bauen,
wie sie vorzeiten gewesen ist, 9,12 damit sie in Besitz nehmen, was übrig ist von Edom, und all
den Nationen, über die mein Name genannt ist, spricht der HERR, der solches tut. Amos 9,11-12;
Auch hier heißt es "damit sie in Besitz nehmen, was übrig ist von Edom und all den Nationen...". Wir gehen also im Text weiter nach vorne, in der Hoffnung, auf jenes Ereignis zu stoßen, von welchem Edom und die Völker der Nationen übriggeblieben sein werden.
Gott rührt die Erde an, dass sie bebt und sich hebt und senkt wie der Nil.
Amos 9,5 Denn Gott, der HERR Zebaoth, ist es, der die Erde anrührt,
dass sie bebt und alle ihre Bewohner trauern müssen, und dass sie sich hebt wie die Wasser
des Nils und sich senkt wie der Strom Ägyptens; 9,6 er ist es, der seinen Saal in den Himmel
baut und seinen Palast über der Erde gründet, der das Wasser im Meer herbeiruft und schüttet es
auf das Erdreich. Er heißt HERR! Amos 9, 5- 6;
(Siege auch Kapitel 08: "Die Umgestaltung von
Himmel und Erde".)
Ich will das Haus Israel unter allen Nationen schütteln lassen,
Amos 9,8 Siehe, die Augen Gottes des HERRN sehen auf das sündige
Königreich, dass ich’s vom Erdboden vertilge, wiewohl ich das Haus Jakob nicht ganz vertilgen will,
spricht der HERR. 9,9 Denn siehe, ich will befehlen und das Haus Israel unter allen Nationen
schütteln lassen, gleichwie man mit einem Sieb schüttelt und kein Stein zur Erde fällt. 9,10
Alle Sünder in meinem Volk sollen durchs Schwert sterben, die da sagen: Es wird das Unglück nicht
so nahe sein noch uns begegnen. Amos 9, 8-10;
Und nun erkennen wir hier auch den Zusammenhang: Der Herr wird die Erde anrühren, dass sie bebt und sich hebt und senkt wie die Wasser des Nils. Und auch das Haus Israel soll unter allen Nationen geschüttelt werden wie ein Sieb. Und nach diesem spricht der Herr:
Zur dieser Zeit will ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten.
Amos 9,11 Zur dieser Zeit will ich die zerfallene Hütte Davids wieder
aufrichten und ihre Risse vermauern und, was abgebrochen ist, wieder aufrichten und will sie bauen,
wie sie vorzeiten gewesen ist, 9,12 damit sie in Besitz nehmen, was übrig ist von Edom, und all
den Nationen, über die mein Name genannt ist, spricht der HERR, der solches tut. Amos 9,11-12;
Und den nachfolgenden Versen ist dann auch zu entnehmen, dass es sich bei dieser
Verheißung um die Wiederaufrichtung Israels im tausendjährigen Reich handelt.
Es geht hier also nicht um die "Geburt eines neuen Gottesvolks" und um die "Gottesherrschaft
der Gemeinde", sondern um die oftmals im AT verheißene Aufrichtung Israels beim Kommen des
Messias in seinem Reich. Nach den vorangegangenen Katastrophen werden die übriggebliebenen Juden
sich zu ihrem wiedergekommenen Messias, unserem Herrn Jesus Christus bekehren und für die Dauer der
tausend Jahre "Haupt unter den Völkern" (Jer 31,7) auf Erden sein.
Diese Prophezeiungen nun auf die Gemeinde umzuinterpretieren, zeigt nicht nur mangelnde
Schriftkenntnis, sondern lässt auch die Frage nach der Objektivität des Autors und seiner
christlichen Bruderliebe gegenüber diesem zukünftigen Volk Gottes aus Israel vorerst offen.
Diese Frage wird aber dann sehr bald vom Autor selbst ganz konkret beantwortet:
"Von der Wiederherstellung eines irdischen, nationalen Israels, eines
irdischen Reiches, eines Tempels usw. ist im Neuen Testament eigentlich nichts gesagt. In Christus
und in seiner Gemeinde hat Gott seine Heilspläne, die oft in nationalen Bildern im Alten Testament
ausgedrückt wurden, erfüllt. In der Auslegung der prophetischen Bücher des Alten Testaments darf
man nicht am Neuen Testament vorbeigehen und die Erfüllung prophetischer Weissagungen in
geschichtlichen Ereignissen der gegenwärtigen Zeit suchen. Jesus und die Apostel sind unsere
Leitsterne in der Auslegung alttestamentlicher Prophetie."
Der Aussage, dass man die Erfüllung prophetischer Weissagungen nicht in Ereignissen
der gegenwärtigen Zeit suchen darf, stimmt solange, als die von der Prophezeiung bestimmte Zeit
nicht Gegenwart ist. So hätte man die Prophezeiung Jesu in Bezug auf den Tempel in Jerusalem (Lk
21,5-6) im Jahre 40 n. Chr. noch als unzutreffend, 30 Jahre später aber, bei der Zerstörung durch
die römischen Soldaten Titus’ als traurige Realität bezeichnen müssen.
Der etwas einseitigen Behauptung des Autors: "In der Auslegung der prophetischen Bücher des Alten
Testaments darf man nicht am Neuen Testament vorbeigehen" muss man natürlich objektiverweise die
Tatsache gegenüberstellen, dass gerade bei der Auslegung des Neuen Testaments auch nicht an den
prophetischen Büchern des Alten Testaments vorbeigegangen werden kann.
Aber nachdem sich die Beweisführung ausschließlich auf das Neue Testament beziehen soll, wollen
wir versuchen, auch dort eine Bestätigung der obigen Amos-Verheißung von der Wiederaufrichtung
Israels zu finden. Und hier bietet sich Römer 11 an. Dort spricht der Apostel Paulus von Israel als
"Ölbaum" und von uns, den Heidenchristen, als "wilde Ölzweige":
Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass die Wurzel dich trägt.
Röm 11,13 Euch Heiden aber sage ich: Weil ich Apostel der Heiden bin,
preise ich mein Amt, 11,14 ob ich vielleicht meine Stammverwandten zum Nacheifern reizen und einige
von ihnen retten könnte. 11,15 Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was wird
ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten! 11,16 Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so
ist auch der ganze Teig heilig; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig.
11,17 Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig
warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des
Ölbaums, 11,18 so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du
wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich. 11,19 Nun sprichst du:
Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. 11,20 Ganz recht! Sie wurden
ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz,
sondern fürchte dich! 11,21 Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch
wohl auch nicht verschonen. 11,22 Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber
denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst;
sonst wirst du auch abgehauen werden. Röm 11,13-22;
Die weiter oben zitierte Aussage des Autors ist nun, dass von der Wiederherstellung
Israels im Neuen Testament nichts gesagt ist und dass Gott sozusagen Israel verworfen hat und seine
Heilspläne ausschließlich in seiner Gemeinde erfüllt hat. Dem widerspricht Paulus hier energisch.
Er meint, dass die Haltung "Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde"
schon recht ist, aber wir sollten darob nicht stolz sein. Hat Gott die natürlichen Zweige – also
Israel – nicht verschont, wird er uns, wenn wir uns überheben, wohl auch nicht verschonen.
Und Paulus äußert sich dann auch ganz konkret zur Wiedereinsetzung Israels:
Haltet euch nicht selbst für klug! Israel wird noch gerettet werden.
Röm 11,23 Jene aber, sofern sie nicht im Unglauben bleiben, werden
eingepfropft werden; denn Gott kann sie wieder einpfropfen. 11,24 Denn wenn du aus dem Ölbaum,
der von Natur wild war, abgehauen und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist,
wie viel mehr werden die natürlichen Zweige wieder eingepfropft werden in ihren eigenen Ölbaum.
11,25 Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst
für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der
Heiden zum Heil gelangt ist; 11,26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht
(Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle
Gottlosigkeit von Jakob. 11,27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen
werde.« 11,28 Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf
die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 11,29 Denn Gottes Gaben und Berufung
können ihn nicht gereuen. Röm 11,23-29;
Es wäre also ein schwerer Fehler anzunehmen, dass wir als Gemeinde alle
Verheißungen Israels ererbt hätten und Israel von Gott verworfen wäre. Durch die Verstockung
Israels und die Gnade Gottes haben wir Errettung erfahren dürfen. Wir sollten uns jedoch dessen
nicht rühmen, denn ganz Israel wird sich noch zu seinem Gott bekehren und alle Verheißungen des
Alten wie auch des Neuen Bundes als Volk Gottes – gemeinsam mit den dann lebenden anderen
Christusgläubigen aus den Nationen – im Tausendjährigen Reich erfüllt bekommen.
(Siehe auch Kapitel 09: "Die Heimkehr der Übriggebliebenen aus Israel und den Nationen".)
Das Israel von heute und bis hin zum zweiten Kommen des Herrn ist aber verstockt und will Jesus Christus nicht als seinen Messias annehmen. Dies sagt auch Paulus den Korinthern in seinem zweiten Brief:
Aber Israels Sinn ist verstockt worden.
2Kor 3,14 Aber ihr Sinn ist verstockt worden, denn bis auf den
heutigen Tag bleibt dieselbe Decke auf der Verlesung des Alten Testaments und wird nicht aufgedeckt,
weil sie nur in Christus beseitigt wird. 3,15 Aber bis heute, sooft Mose gelesen wird, liegt eine
Decke auf ihrem Herzen. 3,16 Dann aber, wenn es sich zum Herrn wendet, wird die Decke weggenommen.
3,17 Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, ist Freiheit. 3,18 Wir alle aber
schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in
dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht. 2Kor
3,14-18;
Auch hier weist Paulus darauf hin, dass "dann, wenn sie sich zum Herrn wenden" Israel die Augen geöffnet werden und auch die dann lebenden Israeliten sich bekehren und zum Heil gelangen. Und auch der Apostel Johannes weist uns auf diesen Zusammenhang hin.
Sie werden den sehen, den sie durchbohrt haben.
Jh 19,35 Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis
ist wahr, und er weiß, dass er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt. 19,36 Denn das ist
geschehen, damit die Schrift erfüllt würde (2. Mose 12,46): »Ihr sollt ihm kein Bein
zerbrechen.« 19,37 Und wiederum sagt die Schrift an einer andern Stelle (Sacharja 12,10): »Sie
werden den sehen, den sie durchbohrt haben.« Jh 19,35-37;
Johannes zitiert hier Sach 12,10, wo es heißt:
Und das Haus David wird mich ansehen, den sie durchbohrt haben.
Sach 12,10 Aber über das Haus David und über die Bürger
Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Und sie werden mich ansehen, den
sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind, und
werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen. Sach 12,10;
Damit dürfte die Behauptung von David Ewert: "Von der Wiederherstellung eines
irdischen, nationalen Israels (...) ist im Neuen Testament eigentlich nichts gesagt" eindeutig
widerlegt sein. Und wie wir sehen, ist es auch keinesfalls so, wie der Dispensationalismus lehrt,
dass Israel durch das Gesetz und wir durch die Gnade Gottes gerettet werden. Jenes Israel, welches
beim zweiten Kommen des Herrn übrig sein wird, wird sich zu ihm, zu seinem Messias bekehren. Denn
wie der Autor richtig sagt (S 100), hat Gott nur eine Heilsgrundlage für die Menschen – ob
Israeliten oder Nichtisraeliten -, und das ist Jesus Christus unser Heiland.
Wie aus den obigen Kommentaren ersichtlich, sind ab Seite 72 des Buches nur mehr zwei Anmerkungen
erfolgt. Dass diese etwas umfangreicher sind, liegt an der Beweisführung und nicht an den Aussagen
des Buches, welche selbst nur einige Zeilen – innerhalb der letzten sieben Kapiteln – umfassen.
Diese letztlich doch erstaunliche Übereinstimmung mit den Aussagen des Autors in der zweiten
Hälfte des Buches liegt einerseits an der sehr interessanten und einleuchtenden Darstellung der
geschichtlichen und kulturellen Hintergründe der Schrifttexte. Andererseits aber sicherlich auch an
dem Umstand, dass in diesem zweiten Teil des Buches – also ab Kapitel sieben – eine vollkommen
andere Geisteshaltung vorzuherrschen scheint. Dies kommt auch gleich im Titel des ersten Abschnitts
dieses zweiten Teils zum Ausdruck, wo es heißt: "Die Bibel muss buchstäblich ausgelegt werden".
Auch dem Autor ist diese plötzliche geistige Wende sehr wohl bewusst, denn er meint dazu:
"Nach alledem, was wir über die Bildersprache der Bibel gesagt haben,
scheint dieses vielleicht ein Widerspruch zu sein. (...) Buchstäbliche Auslegung der Schrift
bedeutet einfach, dass man den Wörtern des biblischen Textes den normalen, gewöhnliche Sinn gibt."
Und hier bin ich nun voll und ganz auf der Seite von David Ewert.